Der internationale Tag der psychischen Gesundheit (World Mental Health Day) hat als Hauptaugenmerk , die Stigmatisierung der psychischen Krankheiten zu bekämpfen und das Bewusstsein zu diesem Thema zu stärken, das noch immer als „unsichtbar“ empfunden wird. Bei dieser Gelegenheit sollte man sich daran erinnern, dass jemand, der an einer psychischen Störung leidet, dies viel mehr ist als eine Diagnose oder eine Krankenblatt, auf der die anzuwendende Therapie aufscheint. Es ist ein Mensch, mit seiner eigenen Geschichte, mit seiner persönlichen Komplexität und Einzigartigkeit, der trotz seines persönlichen Leidens oft über großartige Ressourcen verfügt.
Immer vorausgesetzt, man findet die richtigen Menschen um sich herum, die imstande sind, sie zu fördern und sie wieder aufleben zu lassen.
Das ist der Fall der Frau N. , die bei einem schrecklichen Verkehrsunfall schwere körperliche und geistige Schäden erlitt, brauchte dann einen Sachwalter, der sie auf dem langen Weg der Rehabilitation unterstützte und ihr bei der Bewältigung ihres täglichen Lebens zur Seite stand.
Es war nicht einfach, eine geeignete Person für sie zu finden. Ihre Situation am Anfang war sehr kompliziert: ein schwerer Unfall, der sie zwang, lange Zeit einen Rollstuhl zu benutzen, die Herkunft aus einem fremden Land, Verständigungsschwierigkeiten aufgrund ihrer Sprache und keinen regulären INAIL - Versicherungsschutz, die erlittenen körperlichen Behinderungen beeinträchtigten auch ihre kognitiven Funktionen und ihr Gedächtnis, keine Einnahmen zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes. Diese verzweifelte Situation führte zu einer schweren Depression, verschlimmert durch die Anwesenheit eines Sachwalters, der sich nicht um sie und ihre wirklichen Bedürfnisse kümmerte.
Ich fasse ihre Geschichte kurz zusammen, sie stellt sich in einem Videoanruf mit einem heiteren Lächeln vor, begleitet von einer lieben Freundin, die in ihrer Nähe wohnt und sie seit Jahren auf ihrem Weg begleitet. Ich frage sie nach ihrer vorherigen Sachwalterin, aber allein schon bei ihrer Erwähnung verdüstert sich ihre Miene: „Ich spreche nicht gerne von ihr, an sie zu denken löst in mir Beklemmung aus. Mir ging es wegen ihr sehr schlecht. Ich kann nur sagen, sie hörte mir nicht zu, sie antwortete nicht am Telefon und ich bekam von ihr keine Informationen“.
N. erzählt, wie sie einmal für zwei Tage im tiefsten Winter zuhause ohne Heizung war. Die Sachwalterin wusste nicht, auf wen der Vertrag lautete und sie hatte sich nie darum gekümmert, das heraus zu finden und die Rechnungen zu bezahlen. Jemand ist gekommen, ihr die Gaszufuhr abzudrehen, nach vielen unbezahlten Rechnungen. Glücklicherweise bekam sie zu dieser Zeit ihren derzeitigen Sachwalter und das veränderte ihr Leben. Innerhalb kurzer Zeit brachte er alles in Ordnung, was nicht funktionierte. Als wir auf ihn zu sprechen kommen, hellt sich ihr Gesicht endlich wieder auf: „Es fällt mir schwer, mich an Dinge zu erinnern, aber ich kann mit Bestimmtheit eines sagen: mit ihm muss ich mir um nichts mehr Sorgen machen, es fiel mir nie leicht, Buch zu führen, Anträge auszufüllen. Jetzt noch weniger. Ich bin Ausländerin und die Bürokratie ist nicht meine Welt. Ich male lieber! Zum Glück habe ich ihn.“
Die Frau erzählt mir auch von anderen Episoden, bei denen ihr Sachwalter Menschlichkeit und Respekt ihr gegenüber gezeigt hat: „Als meine Katze krank war hat er alles getan, damit ich die Tierarztspesen bezahlen konnte. Er wusste, wie wichtig das für mich war und ist mir entgegengekommen. Die Person, die vor ihm war, hätte das nie gemacht. Für sie war alles nur Kopfsache. Das Herz war nicht dabei, aber den Sachwalter zu machen braucht es alle beide: Herz und Kopf“.
Nach einer so traumatischen Erfahrung half der neue Sachwalter N. wieder Vertrauen zu fassen. Vertrauen zum Leben, in die Menschen in ihrem Umfeld, Positivität, Tatkraft. Sie begann schrittweise ihre Depression zu überwinden. Ihre Besserung setzte einen positiven Kreislauf in Gang, in dem sie in der Gewissheit, richtig unterstützt zu werden, den Mut fand, wieder ihren Leidenschaften und ihren Interessen nachzugehen.
„In meinem Land bin ich Absolventin der Kunstschule. - beim Reden kommt ihr Enthusiasmus in Schwung – Ich habe immer Porträts gemacht und male mit verschiedenen Techniken. Acryl, Aquarell, auf Holz. Mir gefällt zu experimentieren. Ich habe auch mit meinen Bildern an Wettbewerben teilgenommen. Jetzt bin ich in der Gemini Werkstatt. Dort male ich zusammen mit den Kindern und für sie. Und sie bereiten mir viel Freude. Es gefällt mir mit ihnen zu arbeiten, die Leinwände auszumalen, die Phantasie zu benutzen, kreativ zu sein. Ich liebe die Musik und kombiniere die Musik mit den Farben. Das ist in etwa meine Spezialität. Kunst ist das, was mich am Leben hält und meine Tage ausfüllt“.
Die Gemeinde, die im Rahmen eines Rehabilitationsprojektes Gärten für Menschen mit Beeinträchtigung vorgesehen hat, überließ ihr ein kleines Stück Land zur Bewirtschaftung und N. kümmert sich sehr engagiert darum. Sie liebte schon immer den Kontakt mit Mutter Erde. Sie sagt mir, dass sie sich dabei gut fühlt und dass es sie entspannt. Ich spüre ihre Zufriedenheit, etwas mit den eigenen Händen zu tun und täglich kleine Ziele zu erreichen, wie etwas essen zu können, das sie selbst anbaut.
Ca. 20% der Begünstigten einer Sachwalterschaft in Südtirol leiden an psychischer Beeinträchtigung. Von allen Formen von Gebrechlichkeiten ist sie vielleicht eine der belastendsten, vor allem in der Pflege der Beziehung und des Dialogs. Gleichzeitig erfordert sie eine besondere Tugend, die nur wenige besitzen: den festen Glauben an die verbleibenden Möglichkeiten des begünstigten Menschen. Ein Sachwalter, der der Wiedererlangung seiner sozialen und beruflichen Funktionalität Priorität einräumt, der den Menschen in den Mittelpunkt stellt und über das Etikett „behindert“ hinausgeht. So einer wie der Sachwalter von N. , die am Ende des Videoanrufes mit den Worten schließt: „hat mir geholfen, wieder ich selbst zu werden“.