Wir sind dabei Zeugen hinsichtlich der Wirkung des COVID 19 auf das Alltagsleben von Menschen mit Beeinträchtigungen ausfindig zu machen, die durch ihre Berichte ein Nachempfinden und eine Reflektion jeglicher Art entstehen lassen können, und zwar für alle, die momentan mit doppelten Schwierigkeiten leben müssen, jedoch mit Mut und Schlagfertigkeit diese Situation versuchen zu meistern.
Dieses Mal haben wir Frau C. interviewt, welche seit einigen Jahren Mitglied und Mutter eines autistischen Sohnes ist.
Guten Abend, erst einmal vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen. Ich stelle mir vor, dass Sie wenig Zeit haben, währenddessen andere sich langweilen.
Kein Problem, ich mache das gerne. Tatsächlich habe ich wenig Zeit, zumal die Einrichtungen meines Sohnes bis auf weiteres geschlossen sind, und ich eine Liste von Tätigkeiten erstellt habe, damit wir tagsüber beschäftigt sind.
Wie erlebt Ihr Sohn diese Situation? Hat sich seine Situation verschlechtert?
Nein, ich muss sagen, dass mich mein Sohn überrascht hat. Er hatte keinerlei Krisen, ich sehe ihn ausgeglichen und ruhig, und auf seine Art und Weise hat er die Wichtigkeit verstanden, dass man Zuhause bleiben muss. Klarerweise ist die unvorhersehbare Unterbrechung unserer Alltagsroutine ein Schock für uns alle gewesen, auch weil wir viel Zeit und finanzielle Ressourcen aufgewendet haben, damit wir ein soziales Netzwerk aufbauen konnten, Anlaufstellen gefunden haben, familiäre Orte ausfindig gemacht haben, und positive Gewohnheiten aufgebaut haben. Alles dies ist für das Zusammenleben einer autistische Person erforderlich.
Bemerken Sie die fehlende Unterstützung der Betreuer des Sohnes?
Sicherlich, ohne ihren täglichen Beitrag ist alles komplizierter, aber in den letzten Jahren haben ich und mein Mann uns angemessen weitergebildet. Wir haben ein spezielles Training für Eltern mit autistischen Kindern durchgeführt, so dass wir einigermaßen vorbereitet sind, eine Situation wie diese zu meistern. Seine positive Reaktion und sein heutiges Verhalten sind Früchte einer guten vorherigen Arbeit, sowohl der spezialisierten Betreuer als auch der Ärzte, die ihn seit Jahren betreut.
Welche Tätigkeiten fehlen ihrem Sohn am meisten?
Ich gehe davon aus, dass ihm Sport, vor allem in einer Gruppe, fehlt. Er hat mit UISP Basketball gespielt und einen Schwimmkurs besucht. Für eine autistische Person ist Bewegung eine der wichtigsten Dinge; sie ist Teil der Therapie. Glücklicherweise haben wir einen Garten, so dass er sich ein wenig draußen bewegen kann. In Südtirol sind zudem Spaziergängen von autistischen Personen erlaubt, wenn man ein entsprechendes ärztliche Zeugnis vorweisen kann. Die Ärztin hat uns ein Zeugnis ausgestellt, so dass wir im Bedarfsfall mehr Freiheit haben.
Hat Ihr Sohn Außenkontakte durch telematische Mittel?
Ja, zwei Mal in der Woche rufen die Erzieher via Skype an, um ihm nahe zu sein. M. redet wenig, aber er erscheint mir glücklich, wenn er sie hört. Neulich haben wir auch die Ärztin via Skype gehört. Wir haben in jedem Fall volle Unterstützung.
Wie konnten sie ihre Arbeit mit der dauernden Pflege des Sohnes vereinbaren? Hatten Sie besondere Arbeitsbedingungen aufgrund ihrer Situation?
Dies ist ein schmerzhaftes Thema der Notsituation: Ich hatte eine part time Stelle. Um meinen Sohn angemessen zu betreuen, musste ich nicht bezahlten Urlaub nehmen. Ohne jegliche zur Verfügung stehenden Einrichtungen gab es keine andere Wahl als auf mein Gehalt zu verzichten, ohne dass ich meine Arbeitsstelle verliere, die nun zeitweilig auf Eis liegt. Leider habe ich jegliche Möglichkeiten des Gesetzes 104 schon ausgeschöpft.
Haben sie als Sachwalterin besondere Probleme aufgrund des Virus gehabt?
Aktuell keine; ich benutze sehr oft das online banking und schaffe es die Fälligkeiten und Zahlungen bequem von Zuhause aus zu erledigen. Zum Glück habe ich den Rechenschaftsbericht vor dem Ausbruch der Epidemie hinterlegt.
Macht Ihnen die Zukunft sorgen?
Meinem Sohn geht es zu Zeit gut, was mir Kraft gibt auch dem Morgen zu trotzen, Natürlich hoffe ich, dass alles nicht zu lange dauert. Die Tagesstätten, Werkstätten und sonstige Tätigkeiten, mit denen M. beschäftigt ist, sind sicherlich die letzten Dinge, die wieder gestattet werden. Manche sprechen sogar von September, wie die Schulen, weil es wahrscheinlich schwierig ist den Sicherheitsabstand zwischen den Beeinträchtigten und den Betreuern zu gewährleisten. Es muss eine Art und Weise gefunden werden, dass die Einrichtungen und Tätigkeiten wieder beginnen. Ansonsten riskiert mein Sohn, dass er sich der Gesellschaft mit anderen entwöhnt und die angeeigneten Beziehungsstrukturen vergisst. Man muss auch die Bedürfnisse anderer Familien in Betracht ziehen, die in viel schlechteren Bedingungen als wir leben. Außerdem darf mein Gehaltsverzicht nicht mehr so lange dauern. Ich bleibe trotz allem zuversichtlich und versuche gegenüber meinem Sohn Ruhe zu signalisieren, welcher mehr als sonst Stabilität benötigt.
Welche Ratschläge geben Sie anderen Eltern von Kindern mit Beeinträchtigungen?
Ich weiß, dass es nicht einfach ist, vor allem wenn man keine spezielle Ausbildung hat oder noch andere Kinder im Haus sind, um die man sich kümmern muss. Man sollte versuchen die gemeinsame Zeit zu genießen. Unsere Kinder haben unabweisbare Schwierigkeiten und Limitierungen, aber auch Kompetenzen, welche von Natur aus bestehen oder mit großer Mühe erworben wurden. Wir Eltern sind oft in einer hastigen Routine, an der wie uns vor der Quarantäne gewöhnt haben, und von einem Verantwortungsgefühl aufgesaugt, was auf die Kinder übertragen wird, so dass wir manchmal die kleinen und großen Fortschritte verpassen, und vergessen mit ihnen die kleinen, täglichen Freuden zu teilen. Findet Gefallen daran, mit Ihnen die Zeit zu verbringen, hört Ihnen viel mehr zu, auch wenn sie eine andere Sprache sprechen, versucht besser ihre Ambitionen und Träume kennenzulernen. Sprecht über die Zukunft. macht Projekte. Ein Moment Pause von allem kann nützlich sein, auch für sie.
Die Zukunft liegt vielen Eltern mit Kindern von Beeinträchtigungen am Herzen: sie wollen sicher sein, dass, wenn sie nicht mehr da sind, sich jemand um die Kinder angemessen kümmert, ihre Individualität respektiert, ihre Bedürfnisse und Wünsche. Der Wunsch dieser Mutter lässt Themen ans Licht kommen, die nicht zu sehr ins Abseits gedrängt werden sollten. Das „Nach uns“ und das sogenannte Lebensprojekt. Die lange Zeit in engem Kontakt zu den Kindern kann eine Gelegenheit darstellen, um darüber zu reflektieren, wie eine zufriedenstellende Zukunft garantiert werden kann. Für weitere Informationen zu diesem Thema kann der folgende Artikel gelesen werden: https://www.personaedanno.it/articolo/il-progetto-esistenziale-di-vita verfasst von Giovanni Catellani, Initiator des Projekts und Mitarbeiter der Internetseite Persona e danno.