„Meine Schwester T. war immer schon eine Frau mit starkem Charakter. Für Jahre Arbeiterin im öffentlichen Dienst. Eigentümerin einer Immobilie, mit Opfern erworben, aber allein. Sie wollte nie ihr Leben mit jemand anderem teilen, denn für sie war es wichtiger, in ihren Entscheidungen und Gedanken unabhängig zu sein“.
So beschreibt sie mir Herr C., ihr Bruder. Er erzählt vom Lebensweg, gemeinsam mit seiner Schwester, der Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes und wie nach der Diagnose „Demenz“ die Pflege schwierig wurde. Bis zum Treffen mit dem Verein für Sachwalterschaft. Er erzählt mir seine Geschichte auf intensive und aufrichtige Weise. Eine Geschichte, die mich zum Nachdenken anregt: manchmal sind es besonders die Menschen, die als schwierig gelten, die am meisten Zuneigung und Unterstützung brauchen.
I: Wann hat Eure Familie begonnen, Veränderungen bei ihr festzustellen? Wie habt ihr reagiert?
C: Unsere Schwester tanzte immer schon etwas aus der Reihe. Für uns, die wir sie gut kannten und mit ihrer Art und Weise vertraut waren, war es nicht leicht zu verstehen, dass etwas nicht passte. Dann, nach einem Urlaub am Meer, wo sie ein wirklich bizarres Verhalten an den Tag legte, haben ich und meine andere Schwester begonnen, uns ernsthaft Sorgen zu machen. Sie zu einer Kontrollvisite zu bewegen war sehr schwierig. Ich musste mir alles einfallen lassen, um sie dazu zu bringen. Zudem ging zu dieser Zeit der Hausarzt, der sie ihr Leben lang betreut hat, in Pension. Wir mussten zuwarten, bis er für den neuen Arzt die Vertretung übernahm, weil dieser in den Urlaub fuhr. Ansonsten gab es keine Möglichkeit. Mit ihrem Misstrauen war es ein Glück, einen Bezugspunkt zu finden, jemanden, der sie seit Jahren kannte und ihre Verschlechterung feststellen konnte. Zudem begab ich mich mehrere Male in die Geriatrie des Krankenhauses. Ich hatte das Bedürfnis, mich mit jemandem auszutauschen um zu verstehen, was ich tun soll. Sie wurde von einer ausgezeichneten Ärztin behandelt, die neben einer medikamentösen Therapie uns einen wertvollen Ratschlag gab: sich an einen Verein wenden, der sich mit Sachwalterschaft beschäftigt.
I: Kehren wir zu den Schwierigkeiten ihrer Schwester zurück. Was passierte in ihrem Alltag?
C: T. wohnt allein. Immer öfter, bei meinen Besuchen, stellte ich Merkwürdigkeiten bei ihr zuhause fest. Dinge, die sie versteckte, um zu behaupten, sie hätte sie verloren. Lebensmittel unter ihrem Bett, überall Zucker verstreut, Kleider, persönliche Gegenstände musste ich ihr suchen helfen, weil sie nicht mehr wusste, wo sie waren und sie Angstzustände bekam. Nicht zu reden von den Hausschlüsseln, von denen sie am öftesten dachte, sie verloren zu haben oder jemand hätte sie gestohlen. Ich musste die Schlüssel mit mir nehmen. Aber ein Problem gelöst, gab es schon wieder ein anderes. Sie ging aus dem Haus, läutete bei den anderen Wohnungen, verursachte Belästigung im Wohnkomplex, sowohl tagsüber als auch nachts. Ich wurde mehrmals von der Hausverwaltung gerufen, die Beschwerden von den Mietern des Gebäudes erhalten hatte. Eine Situation, die leider immer komplizierter zu handhaben war.
I: Habt ihr versucht, eine häusliche Pflege einzurichten? Eine Person, die sich mit ihr beschäftigt und sie behütet?
C: Sicher, haben wir versucht. Leider mit dürftigen Ergebnissen. Wir haben gut acht Personen ausgewählt, die direkt von Genossenschaften für Pflegekräfte gesandt wurden. Keine hielt durch. Meine Schwester hat nie Einmischungen ertragen und ist Neuem gegenüber abgeneigt. Sie wurde aggressiv, intolerant. Ihre totale Ablehnung externer Hilfe, die nicht von mir kam, machte mir klar, dass dies alles zu viel für nur eine Person ist. Dann habe ich mich schlussendlich an den Verein gewandt. Und ich konnte keine bessere Wahl treffen.
I: Was hat sich geändert, seitdem der Verein begonnen hat, sie zu begleiten?
C: Langsam, aber sicher nicht ohne Anfangsschwierigkeiten, sah ich die ersten Erfolge. In der Zwischenzeit wurden die Dienste viel schneller aktiv. Ein wichtiger Schritt war ihre Einlieferung in eine ihren Bedürfnissen geeignete Struktur. Die Warteliste war lang, alles belegt. Mit etwas Entschiedenheit haben wir einen Platz gefunden. Vor diesem Meilenstein gab es aber eine unglaublich intensive Zusammenarbeit. Die Mitarbeiterinnen wurden selbst aktiv, besuchten meine Schwester, um eine menschliche Beziehung aufzubauen, sie beschäftigten sich mit den bürokratischen Angelegenheiten, die ihr immer beschwerlicher fielen und mussten ihr sehr viel Aufmerksamkeit schenken. Auch die Psychologin wurde aktiv um ihr zuzuhören. Wenn ich nicht Zeit hatte, haben sie für mich die ärztlichen Rezepte abgeholt, sie haben immer darauf geachtet, dass alles in Ordnung ist. Die Bank, die Rechnungen, die Dokumente. Es ging nicht nur um die Verwaltung: ich fühlte mich unterstützt und verstanden mit meiner Sorge und mit meiner brüderlichen Zuneigung. Ich fühlte viel Empathie und das gab mir viel Mut. So als ob ich um mich eine größere Familie hätte.
Das bedeutet mir viel, besonders nach vielen Jahren, in denen ich alles selbst machen musste. Ich nahm mir auch wieder mehr Zeit für mich und meine Bedürfnisse, die ich lange der Pflege wegen vernachlässigt hatte.
I: Wie sind jetzt die Beziehungen mit der Begünstigten?
C: Sie haben sich entschieden verbessert. Jetzt, wo sie gut betreut wird, eine gute Therapie erhält, immer in Gesellschaft anderer Leute ist und an den täglichen Aktivitäten in der Einrichtung teilnimmt, sehe ich, dass sie sich verändert hat.Und ich sehe sie gelassener. Auch meine Kinder, ihre Neffen, gehen sie besuchen. Es hat sich ein neues Gleichgewicht eingestellt. Und es gibt nichts Besseres, als zu wissen, dass sie in guten Händen ist. Ich habe erleichtert aufgeatmet. Der Verein wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass alles so weiter geht. Und ich weiß, dass ich immer auf sie zählen kann.