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Ich, Anwältin, habe freiwillig auf Anfrage der Sozialdienste einem „Sozialfall“ als Sachwalterin übernommen. Mir war von Anfang an bewusst, dass die Angelegenheit weder leicht sein würde, noch das ich mit einer der Arbeit entsprechenden Aufwandsentschädigung rechnen kann (was letztendlich, sind wir ehrlich, für viele auch Beweggrund ist das Amt zu übernehmen).  


Ich habe mehrere Sachwalterschaften aus Überzeugung  übernommen, um Menschen eine Zeit lang zu begleiten und zu helfen. Die Aufgaben des Amtes finde ich in der Regel  interessant, da eben nicht rein juridische Aspekte zu erledigen sind. 


Allesamt betrafen meine bisherigen Fälle  „pflegeleichte“ Personen und Aufgaben. Ich erledige die finanziellen und bürokratischen Dinge, habe das Glück, dass wir uns gut verstehen und gelegentlichen einen Kaffee trinken gehen.  Und die Menschen drücken mir oft ihren Dank aus. 


Was ich jedoch dann erlebte sprengte sowohl mein zur Verfügung stehende Zeit, als auch fast meine psychische Belastungsmöglichkeit. Ich habe mich entschlossen diesen Bericht zu schreiben, weil ich einmal deutlich machen will, dass Sachwalterschaften sehr wohl nicht nur eine gelegentliche Freiwilligenarbeit darstellen können, sondern auch zeitweise einen full-time Job, dass man nicht nur rechtlicher Vertreter, sondern Sozialassistent,  praktischer „Organisator“ des Lebens der Person usw. sein muss; insbesondere wenn die Person, wie in meinem Fall, völlig alleine da steht..


Ein älterer Mann, ohne jegliche Angehörige, kam, trotz guter Rente, mit seinen Finanzen und seiner Pflege nicht zurecht. Es folgte der Antrag auf Sachwalterschaft von Seiten der Sozialdienste. 
Nach meiner Ernennung klärte ich die Schuldensituation ab, versuchte in einem Jahr fast alle Schulden zu begleichen, war in ständigem Kontakt mit den Sozialdiensten, mit den Gläubigern, Vermieter. Ich stellte den Antrag auf Kündigung der zu teuren Mietwohnung beim Vormundschaftsgericht, bemühte mich um eine günstigere Wohnung, stellt die Anträge auf eine Seniorenwohnung, kündigte unnütze Verträge des Herrn, um Kosten einzusparen. 

Im Frühjahr dieses Jahres erkrankte der Herr schwer, es folgte ein monatelanger Spitalaufenthalt. Ich gab persönlich Gegenstände wie Handy, Brille etc.. an der Pforte des Spitals ab (es war COVID Ausnahmezustand). Für die Ärzte war ich einziger Ansprechpartner.
Der Zustand besserte sich nach einigen Monaten und die Klinik drängte auf die Entlassung des Herrn. Eine Rückkehr in die Wohnung war ohne 24/h Badante nicht mehr möglich. Die Zahlung einer Pflegekraft war jedoch nicht finanzierbar, zudem hätte ein Zimmer zur Übernachtung der Pflegerin hergerichtet werden müssen. Die Heime hatten aufgrund der COVID Situation  einen Aufnahmestopp verfügt. Was also tun? 


Da ich die Welt nicht ändern kann, und  es auch noch andere Institutionen gibt, die hilfsbedürftige Personen Unterstützung geben können und müssen, habe ich eine Sitzung Sozialdienste, Gemeinde, Sachwalter eingefordert. Was tun mit diesem alleinstehenden Menschen? Wie können wir was finanzieren? Wer kümmert sich um was? 
Gott sei Dank traf ich auf Personen bei Sozialdiensten und Gemeinde, die mir Unterstützung zusagten. 

Mit Hilfe der Sozialdienste wurde noch einmal bei den Altersheimen nachgefragt, ich führte diverse Telefonate mit Altersheimdirektoren. Die Heime wurden schließlich wiedereröffnet. Aufgrund der Tragik, dass Menschen in den Altersheimen an COVID verstorben sind, gab es nun für andere wiederrum die Chance einen Heimplatz zu erhalten. 

Nun ergab sich ein neues, großes Problem: Der Herr verweigerte strikt die Einwilligung  in ein Heim überzusiedeln. Er wollte nach Hause. Bei Unfreiwilligkeit sind jedoch auch für die Altersheime Komplikationen vorprogrammiert. Diese sind kein Gefängnis. Wer gehen will, kann gehen.  
Es  war Konsequenz von mir als Sachwalterin verlangt:  Ich führte zwei offene Gespräche mit der Person in der Klinik, stellte die finanzielle Situation dar und die Unmöglichkeit Miete und Pflegekraft zu finanzieren. Auch die Räumung der Wohnung wurde besprochen. Keine schöne Situation für den Begünstigten und für mich als Sachwalterin.


Ein Heimplatz wurde schließlich gefunden. Die Situation war inzwischen diversen Institutionen bekannt.
Jetzt stand mir bevor, die Mietwohnung so schnell wie möglich aufzulösen, damit die Miete eingespart und das Heim finanziert werden kann. Die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts die Wohnung zu räumen und wertlose Gegenstände zu entsorgen, hatte ich schon erhalten.  
Wohin mit den persönlichen Gegenständen, wenn jemand keine Angehörigen hat? Wie komme ich als fremde Person dazu in den Privatgegenständen des älteren Menschen herumzuwühlen und diese auszusortieren fragte ich mich? Wer finanziert die Entrümpelung und Arbeiten in der Wohnung, wenn keine finanziellen Mittel vorhanden sind?

Es wurde wieder der Sozialdienst kontaktiert, der  letztendlich die Spesen für die Entrümpelung und Malerarbeiten übernommen hat. Ich konnte also einen Handwerker beauftragen die Räumungsarbeiten vorzunehmen…
Aber…… Ich als Sachwalter muss dafür Sorge tragen, dass Wertgegenstände gesichert werden. Ein Fernseher, Schmuck etc. wird logischerweise gegebenenfalls einen Wert haben. Aber was ist  mit persönlichen Gegenständen wie Fotoalben, irgendwelche Erinnerungsstücke, die für mich völlig wertlos sind, für die Person aber nicht? 


Ich persönlich habe deshalb etliche Stunden in der vollgestellten Wohnung verbracht und aussortiert. Es war für mich aus menschlicher Sicht äußerst wichtig, dass der alte Mann in die Wohnung gebracht wird und  sich die Dinge, die er im Altersheim haben wollte, aussucht.
Es folgte also die Organisation des Transports des Mannes mit dem Hauspflegedienst in die Wohnung, die teilweise schon geräumt war. Aus dem Spital in die zu räumende Wohnung….. Die Reaktion des Begünstigten war erstaunlicherweise recht gefasst, dennoch gab es ein ungutes Gefühl meinerseits, auch wenn es keine andere Möglichkeit gab, und es letztendlich die beste Lösung war. 
Einige Sachen konnten im Altersheim eingekellert werden, viele mussten entsorgt werden.


Natürlich mussten Stromvertrag etc. gekündigt werden, der Dienst für die Postzustellungen „seguimi“ aktiviert werden, der Wohnsitzwechsel in die Wege geleitet werden, ein Ansuchen auf Tarifbegünstigung für die Heimunterbringung gestellt werden, Handwerker beauftragt werden, sich mit den Vermietern zwecks Wohnungsübergabe auseinandergesetzt werden usw.. 


Was die finanziellen Aspekte betrifft, wurde mir dann immer wieder bewusst: Alle, die mit der Angelegenheit befasst waren, wurden entlohnt: Die Krankenpfleger, die Sozialpädagogin, die Handwerker, die Putzfirma usw.. Ich als Sachwalterin habe jedoch ein Ehrenamt inne….Ja, es gibt die Aufwandsentschädigung, die jedoch vom Vermögen der Person abhängig ist (deshalb haben die Personen mit vollen Konten und Immobilien auch kein Problem einen Sachwalter zu bekommen…). Nun gibt es das Landesgesetz wonach bei einkommensschwachen Personen das Land die Aufwandsentschädigung übernimmt, jedoch nur, wenn man als Ehrenamtlicher in die Landesliste eingetragen ist, und kein Angehöriger oder Freiberufler ist, wie ich es bin. Hier frage ich mich, wie kann es sein, dass ich riskiere gegebenenfalls noch niemals meine Fahrtspesen zurückerhalte, geschweige denn eine Entschädigung für die geschätzten hunderten von Arbeitsstunden für den hilfsbedürftigen Herrn? Hätte ich die Sachwalterschaft für eine vermögende Person übernommen, für die ich vielleicht monatlich lediglich die Überweisung für das Altenheim getätigt hätte, und folglich fast keinen Arbeitsaufwand gehabt hätte, könnte ich wahrscheinlich hingegen mit einer „angemessenen Entschädigung“ rechnen. 
Das widerspricht jeglicher Logik. 
Die Folge vom Landesgesetz wird vielleicht sein, dass letztendlich die Freiberufler (Anwalt, Wirtschaftsberater etc. ) Sozialfälle nur mehr in Ausnahmefällen übernehmen werden. Dabei dürfte es viele Menschen in finanziellen Schwierigkeiten geben, die unter Sachwalterschaft stehen und gerade eben professionelle Hilfe brauchen (aufgrund Schulden und sonstigen rechtlichen Problemen).


Das Landesgesetz ist ein guter Schritt der Landesregierung, aber bedarf der Ausbesserung.

Eine persönliche Zufriedenheit aus dieser ganzen Geschichte ist für mich: 
Der Herr fühlt sich nun im Heim wohl. Er scheint die Pflege und die Umgebung zu schätzen. Wahrscheinlich wusste er schon länger, dass es Zuhause alleine nicht mehr ging, aber das „Abschied nehmen“ vom selbständigen Leben war für ihn zu schwierig. Zudem hätte er die ganze Räumung, Umsiedlung, die damit zusammenhängenden bürokratischen Dinge aus gesundheitlichen Gründen auch nie alleine „gepackt“. Von einigen Stellen, die den Fall seit Jahren kannten hörte ich  „Sie haben eine gute Arbeit“ gemacht.